Straßenexerzitien München September 2011 ein Tag in Dachau - Memento Shoah Zieh deine Schuhe aus, denn der Boden den du betrittst ist heilig - versus Foto-Shooting in der Gaskammer
Mit vielen Touristen führt mich mein Weg durch die Gedenkstätte Dachau. Zu Beginn haben mich die Infotafeln und Bilder noch in den Bann gezogen bis zu einem Moment der Meditation in der Versöhnungskapelle. Dort eine weiße Rose und 12 Teelichtern vor dem Kreuz meditierend, hörte ich den Wiederhall von Schritten auf den Betonboden der schlichten Kirche. Eine Assoziation mit den Soldaten-stiefeln die vor über 70 Jahren hier marschierten, lassen mich meine Schuhe ausziehen und von nun an barfuß und leise den Weg durch das KZ suchen.
"Zieh deine Schuhe aus, denn der Boden den du betrittst ist heilig!"
Schuhe Boden
geben Schutz asphaltierte Straße
halten Füße rein grober steiniger Weg
schenken Halt und Sicherheit matschig, feucht, dornig spitz
bewahrend verletzend
heilig ausziehen
etwas besonderes Sicherheit aufgeben
etwas nicht alltägliches mich schutzlos ausliefern
was mir viel wert nicht schnell fliehen können
wertschätzend vorsichtig
barfuß
intensiv spüren
die Straße fühlen
den heiligen Boden erfahren
ehrfürchtig
Barfuß auf der Suche nach Gott auf einem Weg des Leidens vieler Juden, Kommunisten und anderer nicht geduldeter Menschen der nationalsozialistischen Ideologie - komme ich ins Zentrum des Vernichtungslagers, erlebe zwei Foto-Shootings mit "Verbrennungsofen" und Portraits im fotographisch perfekt ausgeleuchteten Brausebad. - Stumm, sprachlos und ohne Worte zieht es mich in die Hocke - bin fassungslos - wo bleibt die Ehrfurcht das memento shoah?
Brausebad Krematorium
Menschen betrogen Spuren verwischt
der würde beraubt den Leib vernichtet
in den Tod geschickt Gott in den Flammen
eiskalt schweigen
Fluss Mahnmal
was bleibt Toten gedenken
wer erinnert sich Ort der Erinnerung
dem Strom Asche übergeben darf nie wieder geschehen
würdelos bedenken
"Leben (Dachau 1933) .... ich werde es ertragen, denn noch ist mir das Hoffen nicht zerbrochen
doch höre ich die Stimme, die in mir spricht; Du musst es ertragen.
Dachau (1940) .... was ich zuweilen kaum zu hoffen wagte, schenkst du mir, gute stille Nacht.
Es hat mir oft ein gütiger Traum gebracht, s mir die Sonne, mir der Tag sagte." (Aus der Notiz eines Häftlings)
Eloi, eloi lama sabatani
wo wo
bist du bist du
du mein Gott du mein Gott
in diesen dunklen Stunden in meinem brutalen Leid
Verlassen Verzweiflung
wieso wieso
kommst du muss ich
du mein Gott du mein Gott
nicht in diese Finsternis all diese Schmach ertragen
Anklage Klage
"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, bist fern meinen Schreien, den Worten meiner Klage?" (Psalm 22)
warum wo
mein Gott mein Gott
hast mich verlassen bist du heute
mir geliebte Menschen genommen höre keine stillen Worte
Tod Klage
warum wo
mein Gott mein Gott
hast mir genommen bist du nachts
die dich lobende Worte in meinen schlaflosen Träumen
Stille Sehnsucht
warum wo
mein Gott mein Gott
hast mich geleitet bist du morgens
im Leben mit Dissonanzen begleitest du meine Wege
Schmerzen Flehen
"Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde." (Joh.3,16f)
Versöhnung Versöhnung
weiße Rose hören empfinden
die Liebe trägt Ort der Stille
zwölf Lichter der Erinnerung laute Schritte hallen durch
bewahren Lederstiefel
Versöhnung Versöhnung
ein Neuanfang mit Vergangenem
die Liebe lebt Stubenboden blitzblank geschrubbt
einander die Hände reichen "Diele nur barfuß betreten"
beginnen rein
Barfuß gehen - über genau den Boden der Shoah - über genau die Wege, die Häftlinge zurücklegen mussten - über zwei Stunden feuchte weiche Wiese, harter warmer Asphalt, kühler Beton, raue Holzdielen und spitze Steine ertaste ich intensiv und ungewohnt schmerzend. Wie mag es sein bei sengender Hitze, oder bei Eis und Schnee ohne Schuhe zu laufen durch den Dreck des Lagers mit schmutzigen wunden Fußsohlen, ohne warmes Wasser zum Waschen?
Ich trage die Sandalen und erhalte Blick des Unverständnisses. Was macht der da? Gefragt hat niemand - Ich tauche die Füße in den Fluss. Das Wasser kühlt und reinigt, heutzutage ohne Asche.
Dankbar bin ich für die Erfahrung, das Spüren des barfußgehen an jedem Tag der Straßenexerzitien.