Rheingauer Klostersteig

02.11.2019


Manchmal soll es einfach so sein, oder? Da ist dieser Bericht auf WDR in der Sendung "Mit Neugier unterwegs" über so einen Klostersteig im Rheingau. Hört sich spannend an, kurz mal gegoogelt und unter der Rubrik "könnte man ja mal machen" im Hinterkopf abgespeichert. Dann ergeben sich 2 Tage Freiraum und der Wetterbericht verspricht herrliches Wetter. Warum nicht einfach mal nach langer Zeit mal wieder was Spontanes machen? Ist überhaupt noch ein Zimmer frei, wie lange fahren wir, wie kommen wir wieder zurück zum Auto. Zum Glück lassen sich solche Bedenken dank der modernen Technik doch schnell wegwischen.

Sonntagmorgen
08:30 Uhr Abfahrt. Na ob die Sonne wohl auch weiß, dass sie heute zu scheinen hat? Egal, wird schon, wir haben ja schließlich noch ein paar Kilo-meter vor uns. Immer vor uns eine dicke, schwarze Wolke, wo wir eigentlich denken, wir müssten sie schon längst hinter uns haben. Dann haben wir unser Ziel erreicht und der Bus ist leider weg. Was uns anfangs ärgert, ist doch ein Glücksfall, denn so schauen wir uns in dem Örtchen Eltville um und entdecken diese wundervolle Burg. Was für ein schöner Ort direkt am Rhein gelegen, mit herrlichen Blumenbeeten. Ein Ort zum Verweilen, aber, wenn wir nicht wieder den Bus verpassen wollen, müssen wir langsam los und nehmen uns vor, morgen zum Ende der Tour nochmal hierher zu gehen.

Ausgangspunkt der Wanderung ist das Kloster Eberbach, es gibt gleich den 1. Stempel in unserem Pilgerheft und DIE SONNE SCHEINT!!! Die Mutigen werden belohnt. Wir schauen uns das Kloster Eberbach von außen an, hier wurde der Film "Der Name der Rose" gedreht. Eine Skulpturenausstel-lung lädt zum Verweilen ein, doch es wird Zeit den Pilgerweg zu starten.

Der Weg führt uns durch bunte Wälder und Weinberge. Mal ist es wüst und wild, mal leuchtend bunt, mal finden wir ein Stück Himmel auf Erden, oder ganz künstlerische Wegmarken.
Schmetterlinge, Vögel und kleine Frischlinge begleiten uns auf dem Weg, ebenso wie Pilze, Weinstöcke und das Plätschern eines Bachlaufes. Bis zum nächsten Kloster gibt es 3 Ruhe-punkte zum Innehalten mit Impulsen zum Nachdenken und inspirieren. So z. B. dieses afrikanische Sprichwort: "Wenn du schnell gehen willst, geh allein. Aber wenn du weit gehen willst, geh mit anderen." So folgen wir gemeinsam den Wegmarkie-rungen und erreichen entschleunigt und beschenkt mit vielen bunten Farben des Herbstes, gewärmt von den Sonnenstrahlen eines goldenen Oktobertages unserem Tagesziel: Johannisberg.

Wir beziehen unser Quartier im Winzerhaus Johannisberg bei Familie Gietz. Nach der Dusche geht´s noch zur Basilika, denn hier gibt´s den zweiten Stempel. Der freundliche Küster hat uns noch einiges zur Geschichte der Kirche erzählt und in der Sakristei Bilder der früheren Kirchenausstattung gezeigt. - "Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen."

Mit leckerem Flammkuchen und einem exzellenten Wein haben wir den Tag ausklingen lassen.

Der Montag beginnt mit einem reichhaltigen, abwechslungs-reichen Frühstück mit Obst, Müsli, Brötchen und einem guten fairen Kaffee.

Zurück auf dem Camino sind wir überwältigt vom Licht der Morgensonne, genießen an der Basilika den Blick auf den Rhein, in der Ruhe der Morgenstunde das Vogelkonzert und lesen den nächsten Impuls. Auf dem ersten Teilstück beschenkt uns die Natur mit Maronen, die wir uns zu Hause mit einem guten Rotwein gönnen können.

Nach dem Berg folgt nun das Tal. Im dritten Kloster Marienthal begrüßt uns ein Franziskaner am Marien Wallfahrtsort. In der Kirche entdecken wir das Gnadenbild der schmerzhaften Mutter und einer Skulptur des entschlafenen Josef. In der Parkanlage gibt es einen "Trimm-dich-Pfad für die Seele". Einen Weg, den man im eigenen Tempo zurücklegen kann und zu sich selbst führen kann. - "Man kann die Welt nur nach dem verstehen, was man rlebt." (Antoine de Saint-Exupery)

Das nächste Kloster "Nothgottes" erreichen wir nach einem kurzen Weg durch den Wald. Es geht auf den Fund einer Figur des Blut schwitzenden Heilands im14. Jahrhundert zurück, die ein Bauer beim Pflügen seines Ackers gefunden hat. Während des Fundes soll er den Ruf "Not Gottes" gehört haben. Nach der Besichtigung der Kirche und dem Erhalt des vierten Stempels genießen wir auf einer Bank die Sonne.

Auf dem Weg hinauf aus dem Tal schweift unser Blick wieder in´ s Weite, da ist der Rhein auf der einen Seite und über den Weinbergen thronend die Abtei St. Hildegard. An dem Farbenspiel, des in der Sonne leuchtenden Weinlaubs können wir uns nicht sattsehen und kosten die süße Frucht des Weinstocks. Ein guter Ort für eine Mittagspause, die Sonne wärmt und entspannt.

Schließlich erreichen wir das Kloster. Hier gibt es ein Café, einen Shop und ein InfoCenter über Hildegard von Bingen. Im Vergleich zu den vorigen Klöstern ist hier viel los, der Ort ist aber auch wirklich wunderbar. Die Kirche ist mit den mittelalterlichen Motiven heiligen Hildegard geben dem Raum eine spirituelle Atmosphäre.

Unser Pilgerweg neigt sich langsam dem Ende. Wir verlassen die Weinreben folgen dem Weg bis zur großen inklusiven Einrichtung der Stiftung St. Vincent mit sozialen Institutionen, Schulen, Kita und Wohngruppen. Die Marien Kirche, das ehemalige Kloster Marienhausen, ist die letzte Station des Weges. Die Suche nach der Schatzkiste - es hat etwas vom Geocaching - beginnt mit der Suche des Kirchenschlüssels und endet mit dem Öffnen des Zahlenschlosses. Als Pilgerandenken entdecken wir ein kleines Holzkreuz aus dem Weinstock - von den Bewohnern des Vincent Stifts geschnitzt und geschliffen. Nach einem Moment der Stille und des Gebetes in der modernen Kirche, deren heutige künstlerische Ausgestaltung von Menschen mit Beeinträchtigung übernommen wurde, fahren wir mit Bus und Bahn zurück zur Rosenstadt Eltville. Dort besuchen wir nochmals die Burg mit der bunten Blumenpracht und genießen die letzten Sonnenstrahlen mit Blick auf Vater Rhein.